Offener Brief der OBKD an EU-Parlamentspräsident Schulz
München – Auf ihrer Frühjahrssitzung der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD) haben die orthodoxen Bischöfe des Landes in einem offenen Brief zu den von der Fernsehsendung „ARD-Tagesthemen“ vom 29. Januar 2015 wiedergegebenen Äußerungen des Präsidenten des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz, zur Orthodoxie Stellung genommen. Schulz erklärte damals anlässlich seines ersten Besuches bei der neuen griechischen Regierung wörtlich, dass er es für schlimm halte, wenn es in Griechenland in Regierungskreisen „Leute gibt, die sind auf dem Trip, dass das Orthodoxe, das Russische, das unserem Gesellschaftsmodell feindlich gegenüberstehende Modell der gelenkten Demokratie vielleicht das bessere sei, und diesen Leuten muss man mal ganz konkret sagen, und das habe ich auch Leute getan: Nicht mit uns! Die Demokratie, die wir in Europa haben, unsere transnationale Demokratie ist eine große Errungenschaft – und ich finde, dass die gelenkte Demokratie des Vladimir Putin, dass dieses Rückwärtsgewandte, die orthodoxe Gemeinsamkeit, also ich bitte Sie, dass das sicher nicht das Modell für das 21. Jahrhundert ist, ganz sicher auch nicht für Griechenland.“ Die orthodoxen Bischöfe Deutschlands bemerken dazu, sie hätten diese Äußerungen „mit Überraschung zur Kenntnis genommen“, weshalb die OBKD als gemeinsame Vertretung aller orthodoxen Diözesen Deutschlands sich veranlasst sieht, so Stellung zu nehmen: „Die implizit in Ihrem Interview enthaltene Einschätzung, dass Orthodoxie und Demokratie sich ausschließende Begriffe seien, ist in letzter Zeit häufiger anzutreffen; sie ist ausgrenzend, ehrverletzend und nicht zuletzt sachlich falsch. Dass dies von nicht-qualifizierten Personen geäußert wird, geschieht derzeit vielfach; wenn sich aber der höchste parlamentarische Repräsentant der Europäischen Union in dieser Form äußert, ist dies nicht akzeptabel“. Diese bischöfliche Stellungnahme beziehe „sich nicht auf die Einschätzung einer konkreten politischen Situation in Griechenland oder in Russland, sondern möchte die latente angebliche Unvereinbarkeit von Orthodoxie und Demokratie beklagen, die nun auch in Ihren Äußerungen zutage tritt“. Die Bischöfe verweisen sodann auf die Stellung der Orthodoxen Kirche in Deutschland im Rechtssystem des Landes: „Einige unserer Diözesen in Deutschland besitzen den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts, andere befinden sich auf dem Weg zur Anerkennung desselben“. Es sei doch wohl dem Präsidenten des EU-Parlaments, „bekannt, dass eine der Voraussetzungen für die Erteilung des Körperschaftsstatus das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist. Als synodal verfasste Kirche sind wir sehr wohl mit den Strukturen demokratischer Partizipation vertraut und verteidigen sie seit Jahrhunderten“. Daher bitten die Bischöfe den Präsidenten des Europäischen Parlamentes, dem auch zahlreiche Abgeordnete orthodoxer Religionszugehörigkeit – vor allem aus Griechenland, Rumänien und Bulgarien, aber auch anderen Ländern angehören, „die Sie sicherlich nicht als Vertreter eines rückwärtsgewandten Modells bezeichnen wollen, um eine differenzierte Betrachtung unserer Kirche und nicht zuletzt auch um die Würdigung ihres Beitrags zum sozialen Zusammenwachsen etwa in Deutschland und zur europäischen Integration insgesamt“, und entbieten ihm beste Segenswünsche für sein verantwortungsvolles Amt.